Aus dem Blog

Golo & Götz (01)

von Götz Martinek

"Golo & Götz" ist eine gemeinsame Serie von Golo Roden und Götz Martinek. Der eine ist CTO von the native GmbH, der andere Geschäftsführer von sodge IT GmbH. Was die beiden vereint, ist ihre große Leidenschaft für die Entwicklung von Software. Ab sofort nehmen sie sich monatlich ein Thema vor, zu dem dann jeder seine individuelle Perspektive beschreibt, ohne den Artikel des jeweils anderen im Vorfeld zu kennen. Der zugehörige Artikel von Golo findet sich in seinem Blog auf heise.de/developer.

Die Fragestellung zu diesem Beitrag lautete: "ITler: Allein im Keller?"

Was hat es eigentlich mit dem Klischee auf sich, dass Informatiker stets Einzelkämpfer sind, die in dunklen Kellern vor sich hin arbeiten?

 
Ein gängiges Klischee über Nerds (vornehmlich ITler) ist: "Die sitzen allein im Keller."
Ich bezeichne mich hin und wieder noch als "Kellerkind", einfach um mit dem Klischee zu spielen und um meine recht blasse Hautfarbe zu erklären.
Aber waren wir wirklich alle blasse Einzelkämpfer und saßen "allein im Keller"?
 

Gestern

Wie war das damals, bei mir Mitte der Neunziger?

Wie es der Zufall so will, war mein Zimmer früher wirklich im Keller.
Wenn ich an diese Zeit zurückdenke, haben wir sicherlich damals nicht viel zur Widerlegung des Klischees beigesteuert.

In unserer Freizeit haben wir uns stundenlang mit Programmieren, elektronischen Basteleien, Computerhardware und -software beschäftigt. Meist daheim und allein. Soweit wohl zutreffend.

Die neuesten Errungenschaften wurden allerdings bei Treffen mit Freunden vorgestellt und dann zusammen verbessert. Gemeinsam kamen dabei dann auch Ideen zu Folgeprojekten. Diese versuchte man dann irgendwie umzusetzen, meist jeder zuerst für sich. Manchmal auch zusammen, oft dann, wenn ein gewisses Maß an Frustration erreicht war. Im Anschluss haben wir über die gesammelten Erfahrungen berichtet oder mit den neuen Errungenschaften angegeben.

Die Suche nach Gleichgesinnten war recht aufwendig.
In Clubs, IT-Vereinen oder bei den Funkamateuren fand man Gleichgesinnte und noch nerdigere Gestalten für den gemeinsamen Austausch.

Rückblickend war das Refugium der Nerds meist ein freier Raum, der sich öfters im Keller oder auf dem Dachboden befand, mit wenig Tageslicht. Dafür mit umso mehr technischem Gerät, welches fehlende Sonnenstrahlung sicherlich wieder – auf die eine oder andere Art – ausgeglichen hat.
 

Heute

Heute sitzen wir in Teams im Büro und arbeiten an Aufgabenstellungen von Kunden oder internen Projekten. Allein sind wir nicht und unser Büro sieht kein bisschen wie ein Keller aus.

Anregungen zu Projekten kommen, neben Kundenanfragen, weiterhin aus der Freizeit und dem persönlichen Umfeld. Frei nach: "Da müsste es doch was geben ..."
Gerade diese internen Projekte helfen, das Know-how im Unternehmen aufzubauen und auf einem aktuellen Niveau zu halten.
 
Um diese Erfahrungen weiterzugeben, nutzen wir kurze Lightning Talks, in denen wir vorstellen, was wir erprobt oder gelernt haben. Dabei ist es nicht schlimm, wenn kein grandioses neues Tool, Paradigma, Pattern etc. gefunden wurde.
 
Auch Informationen, die einem Einsatz einer Technologie widersprechen, sind hilfreich. Mit Angeben hat das alles nichts mehr zu tun. Es geht um den Austausch von Wissen und Erfahrungen.
 
Durch den Besuch von Messen, Konferenzen und Events kommen wir in den Austausch mit Gleichgesinnten auch außerhalb unserer Firma. Dies alles hilft, den Überblick in unzähligen IT-Themen zu behalten und die passenden Ansprechpartner zu kennen.
 
Gefühlt waren wir damals nicht wirklich "allein", heute sind wir es mit Sicherheit nicht.
 

Morgen

Bereits heute sind wir als Softwareentwickler neben dem Kontakt mit Gleichgesinnten damit konfrontiert, mit völlig anderen Personenkreisen zu kommunizieren. Dies kann teilweise zu merkwürdigen Situationen führen. Meist, weil nicht genau klar ist, über was geredet wird. So werden oft Begrifflichkeiten zwar mit dem gleichen Namen versehen, aber die Bedeutung ist für jeden eine völlig andere.
 
Da es solche Reibungspunkte in heterogenen Teams einfach gibt, werden wir Softwareentwickler uns in Zukunft verstärkt mit dem Thema Kommunikation auseinandersetzen müssen. Jeder in einem Team kann etwas beisteuern. Oft hapert es aber an der Fähigkeit, Zeit, Bereitschaft, Lust ..., uns aufeinander einzustellen und zuzuhören. Aus unseren Erfahrungen in Kundenprojekten kann hier beispielsweise "Domain Driven Design" helfen, diese unterschiedlichen Bedeutungen von Begrifflichkeiten früh im Projekt zu erkennen. Gerade das vorübergehende Ausblenden von technischen Details und damit die Möglichkeit, sich auf die Anwendungsdomäne zu konzentrieren, halte ich dabei für sehr wichtig.

Auch bin ich der Meinung, dass der Austausch von Erfahrungen zwischen Entwicklern und das Ausprobieren neuer Ideen und Tools zur Softwareentwicklung gehört wie der Kaffee. Wenn das nicht möglich ist, macht es das Leben als Softwareentwickler unnötig schwer.
Wohlwollendes konstruktives Feedback von Kollegen hilft, im Team und in der Sache besser zusammenzuarbeiten. Dazu muss es nicht unbedingt einen normierten Reviewtermin geben – auch die fünf Minuten länger an der Kaffeemaschine haben schon einige Probleme gelöst.

Die Zeiten für solche "Weiterbildungen" – solche "Nerdtalks" – sollten bei der Geschäftsplanung gleich mit eingerechnet werden, nicht nur die obligatorische Schulung pro Jahr.
Die Entwickler werden es danken.

Ganz entgegen dem Klischee ist mein Eindruck, dass Softwareentwickler Teamspieler sind.
Und so gesehen wird es uns und unseren zukünftigen Kollegen gar nicht möglich sein, allein im Keller zu verschwinden, selbst wenn sie wollten.
 
In diesem Sinne freue ich mich weiterhin auf einen wertschätzenden und offenen Erfahrungsaustausch sowie auf die nächste Generation.

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